Wie stellt man sich einen idealtypischen Wintertag vor? Viel Schnee, knackige Kälte und dazu noch ein blauer Himmel und strahlender Sonnenschein? Zumindest diejenigen unter uns, welche eine Schneedecke, Eis und Minusgrade zu dieser Jahreszeit bevorzugen, würden wohl derartiges antworten. Doch ein solches Zusammenspiel ist in unseren Breiten im Flachland äußerst selten.

Zur ersten Einordnung ein Blick auf die mittlere monatliche Anzahl der Schneedeckentage in Greifswald für die Klimaperiode 1991-2020:
November: 1,2
Dezember: 5,0
Januar: 8,6
Februar: 9,8
März: 5,0
April: 0,4
Das macht über alle Monate der Wintersaison hinweg circa 30 Tage mit einer Schneedecke in der Hansestadt. Klingt gar nicht so wenig – doch es ist ein einfaches arithmetisches Mittel und beinhaltet sehr wenige schneereiche Winter wie 2009/10 und 2012/13 mit teils über 70 Schneedeckentagen und viele mit fast gar keiner Schneedecke (0-10 Tage).
Das es grundsätzlich einen Rückgang der Schneedeckentage im langjährigen Trend gibt, ist nicht bloß eine Schlussfolgerung aus Erzählungen von Oma („Früher war mehr Schnee“ à la „Früher war mehr Lametta“), sondern lässt sich durch eine ganz nüchterne statistische Auswertung der Daten der Wetterstationen bestätigen. Jedoch gibt es größere Unterschiede je nach Standort. Wichtig dazu: „Früher“ bezieht sich in den folgenden Datenaufbereitungen und Einschätzungen nicht auf vor 1000 oder 2000 Jahren, sondern vorrangig auf die Zeit ab den 1960er-Jahren und Vergleiche gegenüber der jüngeren Vergangenheit.
Zunächst ein paar Worte zum Kenntag „Schneedeckentag“: Damit ein solcher Eingang in die Statistik findet, muss zum täglichen Klimatermin um 07 Uhr eine geschlossene Schneedecke von mindestens 1 cm Höhe ermittelt worden sein. Dies übernehmen ehrenamtliche und geschulte Wetterbeobachter an den (Niederschlags-)Stationen vor Ort beziehungsweise früher vor der Automatisierung diensthabende Meteorologen und Wetterdiensttechniker an den Wetterwarten. Dadurch dass der morgendliche Termin entscheidend ist, werden untertägige Schneedecken („Stunden-Schnee“), die bis zur nächsten 07 Uhr-Meldung schon wieder abgetaut sind, nicht mit erfasst. Um möglichst homogene und aussagekräftige Messreihen zu verwenden, habe ich für die folgenden Diagramme nur Stationen ausgesucht, welche mindestens auf eine Mess- bzw. Beobachtungshistorie seit den 1960er-Jahren verfügen und bis auf 1-2 Jahre zu Kriegszeiten (v.a. 1944/45) keine Datenlücken aufweisen. Außerdem wird auf handgemessene Schneehöhen und keine von Laserstrahl-Automaten gemeldete Schneehöhen (wie an ehemaligen DWD-Wetterwarten ohne Personal nach der Vollautomatisierung) gesetzt, damit die Messungen über den Zeitverlauf vergleichbar bleiben.
Schauen wir auf die Anzahl der Schneedeckentage an den zwei ausgewählten Stationen Ostseeheilbad Zingst (seit 1925) direkt an der Küste und Waren (Müritz) im Süden von Mecklenburg (seit 1890). Für beide Orte ist zum einen der sogenannte dreimonatige Statistikwinter der Meteorologie/Klimatologie (01. Dezember bis 28./29. Februar) als auch der gesamte Zeitraum der Wintersaison (01. Oktober bis 30. April) ausgewertet worden.




Viele schneereiche Winter gab es in den 1960er und 1980er-Jahren. Außerdem fallen die 3 Kriegswinter von 1940-1942 mit deutlich überdurchschnittlich viel Schnee auf. Markant stechen zudem die Winter der jüngeren Vergangenheit, nämlich 2009/10, sowie 2012/13 und mit Abstrichen 2010/11 heraus, welche ebenso lange Perioden mit Schneedecke hatten. Ein absoluter Ausnahmewinter, der sich mit späten schneebringenden Wetterlagen auch noch bis in den April erstreckte, war jener 1969/70. Er brachte Rekorde und mit 88 bzw. 89 Schneedeckentagen fast die maximal mögliche Anzahl in Zingst und Waren. Über den gesamten Zeitraum des Winterjahres waren es sogar 115 bzw. 129! Es ist MV-weit übrigens der einzige Winter welche an einigen Orten vom 01. Dezember bis 28. Februar ohne Unterbrechung eine geschlossene Schneedecke brachte.
Insgesamt häufen sich schneearme und damit meist auch milde Winter seit Ende der 1980er/Anfang der 1990er-Jahre. In Waren gab es 1988/89 zum ersten Mal einen Winter und auch ein ganzes Winterjahr ohne Schneedeckentag. Erneut der Fall war dies 2019/2020 (recht flächig in MV). In Zingst handelt es sich dabei um kein Novum (z.B. 1926/27 schon einmal 0). Seit 2012/13 lag die Anzahl der Tage mit Schneedecke sowohl in Waren als auch in Zingst für Winter und Winterjahr immer deutlich unter dem Mittel von 1961-1990, 12 unterdurchschnittliche Saisons in Folge haben wir somit erlebt, wenn man die alte Klimareferenz heranzieht. Über den gesamten Auswertungszeitraum gibt es für den Kernwinter (Dez-Feb) in Zingst eine Abnahme der Schneedeckentage von etwa 35 Prozent und in Waren von circa 17 Prozent, wobei die Müritzstadt eine längere Zeitreihe aufweist. Auch für weitere untersuchte Stationen zeigten sich die zuvor beschriebenen Muster, wobei der Rückgang der Tage lokal unterschiedlich ausfällt.
Blicken wir als Nächstes als Schwerpunkt der Analyse auf eine weitere Statistik. Wir wissen, dass über die gesamte Jahreszeit Winter betrachtet in den letzten Jahrzehnten eine Abnahme der Schneedeckentage erfolgte. Doch wie sieht es mit der Verteilung über den Winter/das Winterjahr aus? Verschieben sich die Perioden mit winterlicher/schneereicher Wetterlage?
Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Anzahl der Schneedeckentage (mind. 1 cm, summiert) in Greifswald im Verlauf der Wintersaison, hier November bis April. Es wurde für jeden Tag vom 01.11. bis 30.04. gezählt, wie oft in den jeweiligen 30-Jahreszeiträumen 1961-1990 (blau) und 1991-2020 (rot) an diesem Datum eine Schneedecke um 07 Uhr registriert wurde. So ergibt sich für den Zeitraum 1961-1990 ein Wert von insgesamt exakt 1300 Schneedeckentagen. Für den Zeitraum 1991-2020 sind es dagegen nur 902 Tage. Das entspricht einem Minus von 398 Tagen oder eben einen Rückgang von 30,6 Prozent!

Gleichzeitig hat sich auch die Zusammensetzung des Winterverlaufs geändert. Früher war der Winterhöhepunkt mit der größten Schnee-Häufigkeit in der Hansestadt Anfang/ Mitte Januar (siehe blaue Säulen), während im Zeitraum des neueren Klimamittels 1991-2020 der Februar erst den meisten Schnee brachte (siehe rote Säulen). 18 mal war der 08. Januar 1961-1990 ein Schneedeckentag und hatte damit den Höchstwert inne, 1991-2020 lag der 03. sowie 12. Februar mit der Anzahl von 13 vorne. Um Mitte Januar herum lag nun auffällig selten Schnee, in der Klimaperiode zuvor war dies noch einer der schneesichersten Abschnitte des Winters.
Generell lässt sich eine Verschiebung der Verteilung der Schneedeckentage Richtung Spätwinter/Frühjahr erkennen. Neben dem erwähnten Februar, in welchem einzelne Tage sogar noch mit dem Niveau von 1961-1990 mithalten können, hat es Ende März/Anfang April zwischen 1991 und 2020 sogar mehr Tage mit Schneedecke als 1961-1990 gegeben (rote Säulen über den blauen).
Die gelben und lila Linien geben zusätzlich die mittlere Schneehöhe für jeden Tag an. Auch für diesem Parameter zeigt sich die große Kluft im Januar. Von zum Beispiel durchschnittlich 6,5 cm Schneehöhe am 15. Januar ging es hinab auf nur noch 1,1 cm. Für die 1. Februarhälfte gibt es dagegen kaum Differenzen (gelbe/lila Linie liegen nah beieinander).
Zwischenfazit: Der Winter hat sich eindeutig zurückgezogen (in Bezug auf die Anzahl der Schneedeckentage), er hat sich dafür aber breiter aufgestellt. Das heißt, wenn es seit den 1990ern geschneit hat, dann eher über den ganzen Winter verteilt und noch im März oder April anstatt im Hochwinter im Januar, welcher zu großen Teilen die Abnahme insgesamt zu verantworten hat.
Ergänzend nun die gleiche Auswertung für andere Orte in MV. Die Auswahl ist dabei auf die Landeshauptstadt Schwerin, Graal-Müritz an der Rostocker Küste und auf Carpin-Serrahn gefallen, letzter ist einer der schneereichsten Orte in Mecklenburg-Vorpommern und liegt auf 71 Höhenmetern nahe Neustrelitz im Süden des LK Mecklenburgische Seenplatte.



Je nach Lage der Station innerhalb von MV unterscheidet sich das generelle zahlenmäßige Auftreten einer Schneedecke. So waren es in Carpin-Serrahn 1062 Tage (35 pro Wintersaison) mit Weißer Pracht im Zeitraum der 30 Jahre von 1991 und 2020, gefolgt von Greifswald mit 902 (30), Schwerin mit 704 (23,5) und zuletzt das durch maritimen Einfluss / Küstenklima geprägte Graal-Müritz mit 619 Tagen (21).
Die anhand der Greifswald-Daten beschriebenen Auffälligkeiten und Tendenzen gelten auch für die weiteren ausgewerteten Stationen und bestätigen sich somit. Hinzu kommt folgendes Ergebnis: Waren von 1960 bis Ende der 1980er-Jahre eher zwei Winterhöhepunkte (Mitte Januar und dann in der zweiten Februarhälfte) üblich, so lief es in den letzten Jahren seit 1991 eher auf eine gleichmäßigere Verteilung der Schneedeckentage hinaus mit dem häufigsten Auftreten im Februar. Am besten erkennbar ist dies an den Verläufen der mittleren Schneehöhe.
Der größte Rückgang der Schneedeckentage in der Periode 1991-2020 im Verhältnis zum vorherigen 30-Jahres-Zeitraum ließ sich mit knapp 47 Prozent für Graal-Müritz ermitteln. An der Ostseeküste ist generell eine stärkere prozentuale Abnahme von Schnee im Winter im Vergleich zum Binnenland zu erwarten.
Der diesjährige Winter reiht sich bisher in die schneearmen Vorgänger ein. An der Ostseeküste und im südwestlichen Mecklenburg gibt es noch einige Landstriche ohne Schneedeckentag. Auch wenn die nächsten Tage winterlich kalt verlaufen, ist in Sachen Schnee ungewiss ob die Bilanz noch nennenswert aufpoliert wird.

