Rückblicke und Analysen

Das Starkregenereignis in Blankenhagen vom 22.August 2007

Während in weiten Teilen von MV am 22.08.2007 „nur“ 10 bis 30 l/m² fielen, sorgten stationäre Gewitter für „Land unter“ in mehreren Dörfern östlich von Rostock. Mitten im Unwetterzentrum stand glücklicherweise die Niederschlagsstation Blankenhagen, wodurch offiziell 104,2 l/m² gemessen werden konnten.
Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/mecklenburg-vorpommern/niederschlagssumme/20070823-0600z.html

Ein außergewöhnliches Niederschlagsereignis traf den östlichen Landkreis Rostock am 22.08.2007. Im kleinen Örtchen Blankenhagen registrierte eine Messstation des Deutschen Wetterdienstes 104,2 l/m² binnen drei Stunden. Dadurch wurden erhebliche Schäden angerichtet. Die Regenmengen überforderten die Gräben völlig. Der Rückstau überflutete drei Häuser in Willershagen, rund zwei Dutzend in Blankenhagen, und fünf in Behnkenhagen. Alle Wehren des Amtes waren vom Nachmittag an bis weit in die Nacht im Dauereinsatz.

Die Ostsee-Zeitung berichtete in der Ausgabe vom 24.08.2007, S. 6, Artikel „Wut und Tränen nach der Flut: „Es ist alles kaputt“: „Der Wallbach, der durch Willershagen und Blankenhagen fließt, ist normalerweise gerade einmal zwei Meter breit. Bei der Flut schwillt er auf zehn Meter an. Straßen werden unterspült, Laternen kippen um, eine Brücke droht einzustürzen…“

Die meteorologische Ursache für das Ausnahmeereignis war das Unwettertief ‚Quirinus’, welches sich am Montag, dem 20.08.07, im Grenzbereich zwischen kühler Meeresluft über Westeuropa und subtropischer Warmluft über Südosteuropa über der Adria gebildet hat. Dieses erstmal kleine und unscheinbare Tief wurde zunächst auf zyklonaler Zugbahn nordostwärts in Richtung Slowakei, im weiteren Tagesverlauf jedoch west- bis nordwestwärts in Richtung Deutschland gesteuert. Bis zum Nachmittag des 22.08. verlagerte es sich nach Nordrhein-Westfalen und hatte großräumige und ergiebige mit Gewittern durchsetzte Niederschläge im Gepäck. Mecklenburg-Vorpommern lag dabei an der Nord- bis Ostflanke der Zyklone und feuchtwarme/ sehr labile Luftmassen herrschten vor. Ein Randtrog sorgte für Hebung und löste kräftige Schauer und Gewitter aus.

Rund um Blankenhagen östlich von Rostock entstand eine erste Gewitterzelle gegen 15 Uhr. Aufgrund von schwacher Höhen- und Bodenströmung war die Zuggeschwindigkeit extrem gering. Kleinräumige Konvergenzen ließen dann immer wieder über gleichem Gebiet neue Starkregengüsse und Gewitter entstehen. Mittendrin: Blankenhagen. Hier schüttete es von 15:00 bis 17:30 Uhr quasi pausenlos wie aus Eimern. Danach folgten weitere Regenfälle in den Abendstunden.

Radarbilder Rostock und Umland- 22.August 2007, Nachmittag

15:25 Uhr- schon seit etwa 15 Min extremes Niederschlagsecho über Blankenhagen.
Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/radar-standard/rostock-stadt/20070822-1325z.html
16:10 Uhr- unverändert Starkregen, die Gewitterzelle regeneriert sich immer wieder aufs Neue und baut am Südende an. Das Stadtgebiet von Rostock wird dagegen weitgehend verschont.
Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/radar-standard/rostock-stadt/20070822-1410z.html

In einem amtlichen Gutachten im Auftrag des Staatlichen Amtes für Umwelt und Natur Rostock heißt es:

„Interessant ist vor diesem Hintergrund die extremwertstatistische Einordnung bzw. Gegenüberstellung des Starkregenereignisses vom 22. August 2007 für die Niederschlagsstation Blankenhagen. Hiernach beträgt die Niederschlagsmenge für ein 100-jährliches 3- Stunden-Ereignis 49,5 mm (bzw. l/m2 ). Die real gemessenen 104,2 mm entsprächen dagegen ca. einem 10.000-jährlichem Wiederkehrintervall und das bei einem 6-Stunden-Bezug (!). Insofern kann man aus diesen Angaben nur folgern, dass der (intensivere 3-Stunden-) Regen vom 22. August 2007 so selten und so außergewöhnlich ist, dass das Wiederkehrintervall in einen Bereich von 10.000 bis 15.000 Jahren eingeordnet werden muss.“

24-stündige Niederschlagsmengen von über 100 l/m² stellen im Landkreis Rostock seit Beginn systematischer Niederschlagsmessungen absolute Ausnahmen dar. Im Archiv ließen sich nur 6 Tage mit derart hohen Summen finden. Der 26.08.1946, 15.08.1959, 11.06.1980, 05.08.2002 und 22.07.2011. Dazu kommt der 22.08.2007 mit den 104,2 l/m² an der Station Blankenhagen, wobei in diesem Fall (wie schon erwähnt) die gesamte Menge in etwa drei Stunden zusammenkam.

Auch das sich aus dieser meteorologischen Lage entwickelte hydrologische Abflussgeschehen im gesamten Haubach-Wallbach-Einzugsgebiet bei Blankenhagen vom 22. und 23. August 2007 wurde von der zuständigen Fachbehörde, dem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur Rostock, folglich als sehr extrem und selten eingestuft.

Hierzu die entsprechende Passage aus dem Gutachten:

„Danach lag die Hochwasserspitze am amtlichen Wallbach-Pegel in Willershagen bei einem Wasserstand von 205 cm. Dieser Wert übertrifft das stochastisch ermittelte 100-jährliche Hochwasser auf der Basis einer 28-jährigen Reihe ca. um das 3-fache, so dass das Wiederkehrintervall (= Wert, der einmal im maßgeblichen Zeitraum erreicht oder überschritten wird) im Bereich zwischen 200 und 500 Jahren eingeordnet wurde (StAUN Rostock 2007a). Die Abflussspende des 100- jährlichen Hochwassers beträgt am Standort Willershagen auf der Grundlage einer 28- jährigen Beobachtungsreihe des Vorgängerpegels bzw. des aktuellen Pegels in Willershagen 110 l s-1 km-2 (entspricht einem Durchfluss in Höhe von 4,8 m³/s). Auch nach dem hochwasserstatistischen Regionalisierungsansatz nach MIEGEL & HAUPT (1998) kommt man quasi zum gleichen Ergebnis (100-jährliche Abflussspende = 109 l s-1 km-2 ).“

Bilder vom 22./23.08.2007 aus der betroffenen Region

Quellen:

Klicke, um auf hwrrisiko_endbericht_hwrm_rl_mv.pdf zuzugreifen

Klicke, um auf Aktionsplan_Hoschwasserschutz_Wallbach_Haubach_DARS-1000.pdf zuzugreifen

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