Es mutet grotesk an- im äußersten Südosten von Vorpommern und im Nordosten von Brandenburg ist örtlich innerhalb von 24 Stunden mehr Niederschlag gefallen, als dort bislang im Jahr 2021, also sprich in den vergangenen 6 Monaten zusammengerechnet zu verzeichnen war. Auslöser war das kleine Tief ZERO, welches mit seinem „warmen Kern“ auf Vb-artiger Zugbahn von Süden her herandriftete und feuchtlabile subtropische Luftmassen mit sich führte. Am Mittwoch (30.06.) entwickelten sich in dieser bereits intensive Schauer- und Gewitterzellen, im LK Ludwigslust-Parchim fielen lokal eng begrenzt teils 50-70 l/m² in kurzer Zeit und es liefen Keller voll und Straßen und Plätze standen unter Wasser. Zur Nacht zum Donnerstag (01.07.) nistete sich ZERO nahe der Odermündung an der polnischen Ostsee ein und blieb nahezu stationär, sodass über längere Zeit an der Westflanke mit Hilfe von Konvergenzen Starkregenbänder in die Uckermark zogen. Die Ostsee lieferte zusätzlich Feuchte und die Atmosphäre wies einen sehr hohen Wert an niederschlagbarem Wasser auf.

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/analyse/superhd/e8a9dd6a99d438b516f532f852c5f525/thetae-2m/20210701-0400z.html
Da wiederholt dieselben Gebiete bedacht wurden, summierten sich sowohl 1-, 6-, 12-, wie auch 24-stündige unwetterartige Regenmengen. Teils fielen bis zu 50 l/m² in einer Stunde, 150 l/m² in 6 Stunden und über 200 l/m² in 24 Stunden. Der Schwerpunkt lag in einem Gebiet rund um die Ortschaften Penkun (MV), Gramzow, Prenzlau, Grünow, Gartz und Angermünde (alle BB). Der DWD sprach von Wiederkehrzeiten im Bereich von 100 Jahren.
Niederschlagssumme 24 Std. (30.06. 08 Uhr – 01.07. 08 Uhr) – links: DWD-Stationen, rechts: Messnetz Kachelmannwetter / Vereinigte Hagel
Quelle, Karte links: https://kachelmannwetter.com/de/messwerte/mecklenburg-vorpommern/niederschlagssumme/20210701-0600z.html
Quelle, Karte rechts: https://kachelmannwetter.com/de/kw-messnetz/mecklenburg-vorpommern/niederschlagssumme/20210701-0600z.html
Kalibrierte Radarsummen M-V und angrenzend – Niederschlagssumme 24 Std. (30.06. 08 Uhr – 01.07. 08 Uhr)

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/regensummen/mecklenburg-vorpommern/kalibrierte-summe-24std/20210701-0550z.html
Kalibrierte Radarsummen M-V und angrenzend – Niederschlagssumme 6 Std. (30.06. 22 Uhr – 01.07. 04 Uhr)

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/regensummen/uckermark/kalibrierte-summe-6std/20210701-0150z.html
Der animierte Radarfilm verdeutlicht, wie die Schlieren mit im Regengebiet eingelagerten Platzregengüssen und Gewittern immer wieder von NO eindrehend die Uckermark treffen und sich neu aktivieren:

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/regenradar/vorpommern-greifswald/20210701-0100z.html
Verschiedene Gründe erklären, warum es trotz der exorbitanten Schütten nicht zu großen Überflutungen kam: Hauptfaktor ist die trockene Vorgeschichte, der Boden über dem Hauptregengebiet besteht v.a. aus sandigem Lehm und es war noch viel Kapazität „frei“. Zudem kann Wasser diesen Bodentyp gut durchdringen. Die Region ist darüber hinaus nur dünn besiedelt und daher wenig versiegelt, dies kommt dem Abfluss zugute. Außerdem ist das Gelände flach und ohne nennenswerte Täler, sodass das Wasser breitflächig ablaufen kann. Nichts desto trotz kam es in logischer Konsequenz auch zu Überflutungen. So musste beispielsweise die Autobahn A6 nahe der Grenze zu Polen wegen „Land unter“ vorübergehend gesperrt werden.
Auch wenn Mecklenburg-Vorpommern nur am Rande von diesem Extremereignis erfasst wurde, sei etwas näher auf die statistische Einordnung der enormen Wassermassen eingegangen.
In Hohenreinkendorf (BB) summierten sich 24-stündig vom 30.06.2021 08 Uhr bis 01.07.2021 08 Uhr 184,1 l/m². Der bisherige Jahresniederschlag (!) mit Stand vom 29.06. betrug dort 159,4 l/m², die Gegend war die trockenste deutschlandweit in 2021. Ausgerechnet dort fielen nun auf einen Schlag solch extreme Mengen und übertrumpften direkt die Bilanz von 6 aufeinanderfolgenden Monaten. Die Tagessummen in der Uckermark entsprechen in etwa 3 bis fast schon 4 durchschnittlichen Monatswerten des Niederschlags für Juni oder Juli.
Karte des Jahresniederschlags im Norden vor dem 30.06.2021

Auf vorpommerschem Boden war Penkun am heftigsten betroffen. Die dortige Wetterstation im Messnetz der privaten Firma DTN meldete 24-stündig 173,2 l/m². Davon kamen 148,5 l/m² im 12-stündigen Zeitraum von 20 bis 08 Uhr zusammen.
Im für Klimastatistiken herangezogenen „offiziellen“ Messnetz des DWD liegt in M-V Grambow-Schwennenz mit einer Tagesmenge von 140,5 l/m² vorn. Seit 1881 sind nur 4 höhere Tagesmengen des Niederschlags an Wetter- oder Niederschlagsstationen im staatlichen Beobachtungsnetz auf der Fläche von Mecklenburg-Vorpommern bekannt.
Im Gebietsmittel gesehen, war insbesondere der 26. August 1946 noch ein anderes Kaliber, als es über dem Westen des Landes eine riesige Fläche mit >=100 l/m² gab und in der Spitze fast 200 l/m² im Klützer Winkel / Wismarer Bucht. Auch am 18. Juli 1987 war die Zone mit über 100 Litern innerhalb von M-V größer ausgeprägt (Ostvorpommern), damals allerdings ohne regionale Ausschläge gen 200 l/m², wie gestern rund um Penkun.
🌧️Die höchsten Niederschlags-Tagessummen an Wetter- bzw. Niederschlagsstationen in M-V seit 1881 (>=120 mm)
191,5 mm Wismar (26.08.1946)
185,6 mm Boltenhagen (26.08.1946)
146,2 mm Marnitz (26.08.1946)
144,0 mm Altwigshagen (18.07.1987)
=> 140,5 mm Grambow-Schwennenz (30.06.2021)
140,5 mm Rothemühl (18.07.1987)
139,0 mm Neuburg-Steinhausen (26.08.1946)
137,0 mm Rankendorf (26.08.1946)
131,8 mm Güstrow (26.08.1946)
129,4 mm Selmsdorf (17.07.2002)
129,3 mm Bargischow-Gnevezin (18.07.1987)
128,3 mm Bernitt (26.08.1946)
127,8 mm Brüel (26.08.1946)
127,3 mm Pasewalk (18.07.1987)
126,2 mm Anklam (18.07.1987)
126,0 mm Rathebur (18.07.1987)
124,2 mm Goldberg (15.08.1959)
123,5 mm Vollrathsruhe (26.08.1946)
122,5 mm Goldberg (26.08.1946)
122,4 mm Ahlbeck (29.08.1969)
121,4 mm Demmin (29.07.1914)
120,2 mm Baumgarten (11.06.1980)
Angemerkt werden muss für solche Auswertungen allerdings, dass extreme Niederschlagsereignisse häufig sehr lokal sind und daher manchmal durchs Raster fallen und nicht von einer Wetterstation erfasst werden und somit auch nicht in die Statistik eingehen.