Natur & Wetterphänomene Rückblicke und Analysen

Lehrbuchhafte Superzellen über der Ostsee und Süddänemark in den Abendstunden des 15. August 2021- mehrere Tornados

Spektakuläre und in unserer Region seltene Entwicklungen zeigten sich am Abend des 15.08.2021 am Himmel über der Kieler Bucht. Im Vorfeld einer markanten Kaltfrontpassage entwickelten sich im Übergangsbereich zu feuchtwarmer Subtropikluft über Schleswig-Holstein einzelne kräftige Gewitterzellen, welche sich teils zu sogenannten Superzellen formierten.

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/radarsweeps/boostedt-nord/radar-05grad/20210815-1840z.html (reicht nur 7 Tage zurück)
Superzelle mit Hook (Hakenecho) über der Ostsee in den Abendstunden des 15.08.2021

Blicken wir auf die Entstehungsgeschichte und die atmosphärischen Voraussetzungen: CAPE, als Maß für die der Konvektion (Schauer/Gewitter) zur Verfügung stehenden potentiellen Energie, war mit 400 bis 700 J/kg nur in moderatem Maße vorhanden. Generell gilt vereinfacht: Je höher die CAPE-Werte sind, desto größer ist das Potential für starke / explosionsartige Konvektionsentwicklung, wenn es denn zur Auslöse kommt. Trotz verhältnismäßig mauen CAPE-Dargebots kam es zur Ausbildung klassischer Superzellen. Eine große Rolle spielten die sehr günstigen Scherungsbedingungen. Scherung meint in der Meteorologie die Geschwindigkeits- und/oder Richtungsänderung des Windes mit der Höhe. Besonders stark war am Sonntagabend in der betroffenen Region die niedertroposphärische Richtungsscherung ausgeprägt. Jene begünstigte die Entstehung langlebiger und rotierender Gewitterkomplexe. Der Höhenwind war zudem flott unterwegs. Zusätzlich lag des Kondensationsniveau über den feuchtwarmen Luftmassen auf der Ostsee niedrig. Die Luftfeuchtigkeit in den unteren Schichten war hoch.

Kurzum: Die „Zutaten“ für eine Superzelle und Tornadobildung waren günstig. Im Radar zeichnete sich etwa ab 20:30 Uhr ein Hookecho ab. Diese hakenförmige Radarflexion deutet auf starke Rotation des Gewitteraufwindes hin (Mesozyklone) und ist ein Indiz für eine Tornadobildung. Das Gewitter wies klar getrennte Auf- und Abwindbereiche auf. Der höchste Organisationsgrad zeigte sich nach Übertritt der Zellen auf die Ostsee. Zwischen 20:30 und 20:40 Uhr beobachteten von der Küste aus mehrere Augenzeugen einen mächtigen Tornado über dem Meer. Sichtungen wurden insbesondere von den Stränden nördlich von Kiel bei Schwedeneck, Noer und Damp gemacht. Die Entfernung von der Küste lag schätzungsweise bei drei bis fünf Kilometer. Da dieser Tornado über der Ostsee wirbelte und kein Land berührte, ist eine Einordnung der Stärke kaum möglich. Dafür taugt die rein optisch bestimmbare Größe und Ausdehnung selten. Da es sich um ein Tornado Typ I-Ereignis im Umfeld einer Superzelle handelte und anhand des Bildmaterials ist hier inoffiziell eine grobe Abschätzung mit F2 auf der Fujita-Skala (180-250 km/h) erfolgt.

Im sogenannten Doppler-Radar ließ sich der Tornado ebenfalls erkennen. Er ist dort aktiv, wo die grüne und die rote/violette Farbe aufeinandertreffen. Es herrschten dort somit ganz nahe beieinander große Windgeschwindigkeiten vom Radarstandort bei Boostedt weg und unmittelbar angrenzend zu ihm hin.

Ein sehr ausgeprägtes Rotationscouplet hielt sich sogar über eine halbe Stunde, insgesamt waren es wirklich beeindruckend langlebige Superzellen für unsere Breiten. 3 1/2 Stunden fast Dauerrotation ließen sich analysieren und damit auf etwa 150 km Zugbahn der Zelle. Als Kriterium für eine Superzelle gilt, dass die Mesozyklone (rotierender Aufwindbereich) mindestens 30 Minuten am Leben ist.

Zudem brachte das Unwetter großen Hagel, zunächst nur über Wasser, doch dann meldeten Nutzer über die sozialen Netzwerke bis zu etwa vier Zentimeter große Eisklumpen über Nakskov an der dänischen Südküste. Am späten Sonntagabend wurde im weiteren Wirkungsbereich der sich dann nur langsam abschwächenden Superzellen auch Lendemarke auf Møn höchstwahrscheinlich von einem Tornado getroffen. Es ist mittlerweile von einem „Tornado-Ausbruch“ auszugehen, zwei bestätigte Wirbelwinde gibt es von deutscher Seite aus, über Dänemark könnten weitere aktiv gewesen sein.

Darüber hinaus war die Blitzaktivität außerordentlich hoch, von SW näherte sich dem dänischen Lolland ein wahres Feuerwerk:

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/blitze/schleswig-holstein/20210815-1950z.html

Weitere Bilder von der SH-Ostseeküste:

Quelle: https://tornadoliste.de/210815damp.htm

Wer sich noch tiefgreifender informieren möchte:

=> http://www.die-meteorologie.de/D-Gewitter/Superzellen/Verifikation.html

Pressebericht aus Dänemark: https://www.tv2east.dk/lolland/sjaeldent-vejrfaenomen-fanget-paa-video-saa-kan-det-naesten-ikke-blive-mere-vildt

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