
Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/regensummen/schwerin/niederschlagssumme-1std/20190828-1750z.html
Nach einem bereits gewittrigen Dienstag blieb die schwülheiße und labile Luft auch am Mittwoch wetterbestimmend. Die Temperaturen erreichten nachmittags bis knapp 35°C, nur an wenigen Küstenabschnitten mit früh einsetzendem Seewind wurde die 30°C-Marke nicht geknackt.
Bis zum späten Nachmittag hielt sich die Schauer- und Gewitteraktivität in MV noch in Grenzen. Die Luftmasse war jedoch „hochexplosiv“ und gegen 17:30 Uhr löste es bei Ludwigslust aus. Schnell entwickelte sich ein unwetterartiges Gewitter aufgrund von heftigem Starkregen. Innerhalb von etwa 2 Stunden fielen über 50 l/m². Gleichzeitig gingen bei Wismar erste Zellen hoch und gegen 18:30 Uhr auch weiter südlich bei Schwerin. Es war der Anfang eines außergewöhnlichen Unwetters in der Landeshauptstadt.
Ziemlich genau 18:50 Uhr setzte extremer Starkregen in der Innenstadt ein, bis etwa 20 Uhr blieb die Intensität fast unverändert hoch. Insgesamt fielen am Abend punktuell bis zu 90 l/m² in Schwerin. Wie kam es dazu? Die Kombination aus sehr schwachen Höhenwinden (kaum Verlagerung der Gewitter) und hohen PPw-Werten (atmosphärisches Niederschlagswasser) war schon im Vorfeld ein Alarmsignal. Ähnlich wie am Dienstag wurde hauptsächlich vor Starkregen als maßgeblichen Unwetterfaktor gewarnt. Problem: Die Gewitter ploppen in der feuchtlabilen Soße mehr oder weniger zufällig auf und niemand kann am Morgen schon sagen, wo am Nachmittag ein Unwetter niedergeht. Nur die Regionen lassen sich grob eingrenzen. Die Vorwarnzeit für einen Ort / Stadt beträgt bei derartigen Wetterlagen meist nur 15-30 min. Solche Konstellation ist an sich nicht ungewöhnlich und kommt mehrmals im Jahr vor. Nicht immer wird aber das ganze Potenzial abgerufen, bzw. auch dicht besiedeltes Gebiet getroffen, wie nun Schwerin.
Insgesamt konnte beobachtet werden, dass die Gewitterzonen sich tendenziell von Südwesten weiter nach Nordosten vorarbeiteten. Die Schweriner Unwetterzelle nistete sich jedoch über der Stadt ein und schwamm wie ein Fettauge in der Suppe unkoordiniert längere Zeit über gleichem Gebiet. Es handelte sich um eine retrograde Gewitterzelle, dessen Struktur sich ständig veränderte. Immer wieder bauten neue Zellkerne zur warmen Seite an, dort wo noch unverbrauchte energiereiche Luft vorlag, und so regenerierte sich das Unwetter über dem Stadtzentrum ständig aufs Neue.
Radar HD- Schwerin (18:50, 19:10, 19:30 Uhr)
Auch in anderen Regionen Mecklenburgs waren diese Effekte zu erkennen. Förderlich für die Geburt neuer Gewitterherde war das gelegentliche Absterben alter Zellen/Cluster. Hierdurch wird eine kühle Ausbreitungsströmung (Abwärtsströmung mit neuer Hebung von feuchtwarmer Luft in der Umgebung) ermöglicht. Erst im Verlaufe der Nacht kam die Gewitteraktivität zum Erliegen.
Nun eine statistische Auswertung und Einordnung der Regenmengen von Schwerin.
Niederschlagsmengen nach Radarauswertung

Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/regensummen/schwerin/niederschlagssumme-24std/20190829-0550z.html
Punktuell fielen 90 l/m² innerhalb von etwa 2 Stunden im Innenstadtbereich am Schweriner See. Der Pegel stieg um 6 Zentimeter, der des Pfaffenteichs sogar um 15 Zentimeter. Im Nordwesten der Stadt bei Friedrichsthal summierten sich dagegen nur rund 10 l/m² und dort bekam man von den Wassermassen wenige Kilometer entfernt nichts mit.
Real gemessen wurden die mittels Radardaten ermittelten Spitzenwerte von 90, vielleicht sogar bis 95 l/m² nicht, denn das Messnetz an Niederschlagsstationen ist nicht engmaschig genug. Die Schweriner DWD-Station an der Ostseite des Lankower Sees lag nur am Rande des Unwetters und konnte zwischen 19 und 20 Uhr eine 1-stündige Menge von 34,8 l/m² vermelden. Die Gesamtsumme des Abends betrug 46,7 l/m². Eine Station der städtischen Abwasserentsorgung maß 76 Liter pro Quadratmeter und lag damit dem „Epizentrum“ wohl ziemlich nahe. Für den Standort Schwerin kann von einem 80 bis 100-jährigen Starkregenereignis gesprochen werden.
Nun noch ein Blick auf die höchste je gemessenen Tagessummen des Niederschlags in Schwerin. Zur Verfügung stehen die Daten der DWD-Wetterwarte am Lankower See (seit 1890) sowie zwei reine Niederschlagsstationen in den Stadtteilen Görries (seit 1969) und Mueß (1969-1997).
Zu beachten ist einerseits, dass drei Messstellen nicht ausreichen um das gesamte Stadtgebiet abzudecken und somit sicherlich einige lokale Starkregenereignisse aus der Vergangenheit unberücksichtigt bleiben. Andererseits werden im Folgenden nur 24-stündigen Summen aufgelistet, das besondere am Unwetter vom 28.08.19 war jedoch das extrem kurze Zeitintervall von ein bis zwei Stunden. Für diese Dauer sind aber meist keine historischen Niederschlagsmesswerte verfügbar.
118.5 mm – Wetterwarte | 24.06.1969 |
118.3 mm – Bergstraße | 11.05.1890 |
115.2 mm – Wetterwarte | 11.06.1980 |
104.6 mm – Wetterwarte | 26.08.1946 |
92.2 mm – Görries | 28.07.2000 |
90.5 mm – Wetterwarte | 28.07.2000 |
87.1 mm – Mueß | 24.06.1969 |
81.9 mm – Görries | 24.06.1969 |
76.0 mm – Wetterwarte | 11.05.1890 |
73.5 mm – Görries | 11.06.1980 |
70.1 mm – Wetterwarte | 07.08.1963 |
Zu einigen Unwetterereignissen sind Detail bekannt: Von den 118,5 mm am 24.06.1969 fielen 112,3 mm in 6 Stunden. Als absolutes Ausnahmeereignis kann der Starkregen vom 11.05.1890 bezeichnet werden. An einer Station in der Bergstraße konnten 118,3 mm ermittelt werden. Fast die gesamte Menge, nämlich 111,0 mm, gingen innerhalb von 95 Minuten nieder. Damit wird der aktuelle Unwetterregen noch getoppt.
Es ist also kein neuzeitliches Phänomen, auch früher gab es vereinzelt derartige Extreme. Die Flächenversiegelung / Bebauung war natürlich auf ganz anderem Stand und somit sind die Auswirkungen kaum vergleichbar.
Sehr gut aufbereitete Analyse von Starkregenereignissen allgemein und des Gewitters vom 28. August. Danke 🙂
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