Klimadaten & Rekorde Rückblicke und Analysen

Auswertung Winter 2019/20 in Mecklenburg-Vorpommern

In der Wetter- bzw. Klimastatistik wird das Jahr in vier Dreimonatszeiträume eingeteilt. Zum Winter gehören demnach der Dezember, Januar und Februar und die Saison 2019/20 ist somit zum 29.02.2020 abgeschlossen.

Es war im Gebietsmittel von Mecklenburg-Vorpommern mit ca. 4,8°C der wärmste Winter seit Beginn regelmäßiger Temperaturmessungen (1881 Startpunkt der DWD-Ländermittel). Der bisherige Rekordhalter war der Winter 2006/07 mit 4,6°C, dahinter folgen mit etwas Abstand die Vertreter 1989/90, 1988/89 und 1974/75.

Damit ersichtlich wird, welche Werte echte Eiswinter aufweisen, sind zum Vergleich auch die kältesten Winter in MV seit 1881/82 aufgelistet. In der Top 15 befindet sich nur ein Winter aus den letzten 30 Jahren (1995/96).

Neben der Mitteltemperatur sind weitere Kategorien zur Einordnung gängig. Die Strenge eines Winters lässt sich auch an der Kältesumme, der Anzahl von Frost- und Eistagen sowie dem Auftreten von Schneedeckentagen ablesen.


Hierzu die Grafiken mit den Daten des Winters 2019/20 (01.12.-29.02.) aus Mecklenburg-Vorpommern und umliegenden Gegenden:

Auffällig ist die flächige 0 bei der Anzahl der Eistage. Einen solchen landesweiten Totalausfall hat es seit mindestens 1830 in unserer Region (NO-Deutschland) nicht gegeben. Nach dem langjährigen Mittel sind in MV rund 20 Eistage im Winter zu erwarten.

Quelle: http://www.mtwetter.de/monatskarte.php

Zudem weisen einige Wetterstationen eine Kältesumme von 0,0 auf und haben somit den ganzen Winter keine negative Tagesmitteltemperatur verzeichnet. Auch das ist ein neuartiges Phänomen und tauchte bislang selbst in den über 100-jährigen Messreihen einiger MV-Stationen noch nicht auf.

Quelle: http://www.mtwetter.de/monatskarte.php

Beeindruckend ist außerdem die Karte mit der Anzahl der Frosttage: Die DWD-Station auf der kleinen Insel Greifswalder Oie in der Pommerschen Bucht verzeichnete überhaupt keine Minusgrade im Winter 2019/20. Das Minimum im Zeitraum vom 01.Dez. bis 29.Feb. lag bei genau 0,0°C.

Hiddensee-Vitte meldete mickrige 3 Tage mit Frost, in Warnemünde und am Kap Arkona gab es 4 Frosttage. Die meisten Frosttage (25) hatte die Station im Kälteloch bei Karlshagen auf Usedom. Selbst dieser Wert liegt deutlich unter dem vieljährigen MV-Landesmittel von knapp 53 Frosttagen.

Quelle: http://www.mtwetter.de/monatskarte.php

Einen Winter ohne Frosttag hat es wohl selbst an exponierten Küstenorten noch nie gegeben. Diese Vermutung unterstreicht auch eine Meldung des dänischen Wetterdienstes, wonach in unserem Nachbarland 3 Küstenstationen im Winter 2019/20 ohne Frosttag blieben. In Hammerodde auf Bornholm existiert eine Messreihe seit 1873/74 und das zugehörige Diagramm zeigt den extremen Ausreißer nach oben. In den letzten 147 Jahren lag das Winter-Temperaturminimum dort immer im Frostbereich.

Anschließend dazu die Grafik zur Tiefsttemperatur in der abgelaufenen Wintersaison. Diese liegt nahezu überall nur im Bereich des leichten Frostes (-0 bis -5°C) und damit rekordhoch. Auch hier zur Einordnung wieder ein langjähriger Vergleichswert: Die durchschnittliche Winter-Tiefsttemperatur an den MV-Stationen beträgt -13,5°C.

Quelle: http://www.mtwetter.de/monatskarte.php

Nun der Blick auf die Ausbeute an Schneedeckentagen. Kurzum: Es gab fast nichts zu holen. Einige wenige Niederschlagsmessstellen konnten einmal eine Schneedecke melden, Bergen/Rügen ist Spitzenreiter mit 2 Schneedeckentagen. Der Großteil ging komplett leer aus. Der erreichte Normwert im Landesmittel seit 1930/31 liegt bei 27 Tagen mit Schneedecke.

Quelle: http://www.mtwetter.de/monatskarte.php

Als Nächstes die wirklich spannende Eingliederung des Winters 2019/20 in die Messreihen zweier traditionsreicher Wetterstationen in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei ist die Auswahl auf Schwerin und Greifswald gefallen. In der Landeshauptstadt wird bereits seit 1849 das Wetter aufgezeichnet, für die vorpommersche Hansestadt liegen seit 1898 Messdaten vor. In allen aufgeführten Kategorien sind neue Rekorde aufgestellt, bzw. bestehende Marken eingestellt worden. In Klammern steht der Messbeginn, welcher je nach Kategorie variiert.

Verblüffend: In den Hitlisten von Schwerin zeigt sich, dass der jetzt getilgte Minimum-Rekord bei den Eistagen und der Kältesumme aus der Saison 1897/98 stammt und somit 122 Jahre Bestand hatte.

0 Schneedeckentage stellen kein Novum dar, 1948/49 kam ebenfalls nichts Messbares zusammen.

Die Schweriner Wintermitteltemperatur in den letzten 170 Jahren. 2019/20 (4,85°C) löst den Mild-Spitzenreiter 2006/07 (4,77°C) ab.

Weitere Rekord-Grafiken anderer Wetterstationen (z.B. Putbus auf Rügen seit 1853/54) sind hier abrufbar:


Begriffsdefinitionen:

Kältesumme: Summe der Beträge von negativen Tagesmitteltemperaturen, Beispiel: Tm = -0,7°C, entspricht einer Kältesumme von 0,7.

Eistag: Tageshöchstwert < 0,0°C = Dauerfrosttag

Frosttag: Tagestiefstwert < 0,0°C

Schneedeckentag: messbare, weitgehend geschlossene Schneedecke von mind. 1 cm zum Klimatermin um 07 Uhr


Zum Abschluss ein paar Erkenntnisse, die dieser extrem milde und „schneefeindliche“ Winter geliefert hat:

Winterliche Großwetterlagen (z.B. Nordostlage / Hoch Fennoskandien) stellten sich überhaupt nicht ein, stattdessen überwogen durchweg zonale Strömungsmuster. Dadurch gab es häufig westliche bis südwestliche Winde, welche milde und feuchte Atlantikluft bis weit nach Nordosteuropa transportierten. Selbst dort und in Skandinavien konnten sich kaum Schneeflächen ausbilden. Der Grund: Die Frontalzone (Westwinddrift, Tiefs wandern von West nach Ost) verlief besonders im Dezember und Januar ungewöhnlich weit nördlich.

Die Region NO-Deutschland inklusive MV hatte übrigens deutschlandweit die größten Abweichungen vom Mittelwert und die meisten neuen Rekorde zu bieten. 0 Eistage kamen beispielsweise im Ruhrgebiet schon häufiger vor, sind zwischen Ostsee und Erzgebirge jedoch bislang eher unbekannt gewesen. Berlin erlebte den ersten eistagsfreien Winter seit Beobachtungsbeginn vor 320 Jahren.

Üblicherweise bricht die milde Atlantikluft vor allem im Westen und Nordwesten durch und nach NO/O sorgen Zwischenhochs für eigenproduzierte Kälte, diesmal war die West-/Südwestströmung oftmals auch in Ostdeutschland kräftig ausgeprägt. Zusätzlich sorgten die hohen Wassertemperaturen von Nord- und Ostsee für das Ausbleiben von Minusgraden in den Küstenregionen.

Die „Preisfrage“ ist nun: War der warme Winter 2019/20 ein Ausreißer in einer Reihe sehr milder Winter oder sieht so der „normale“ Winter der Zukunft aus ?

Natürlich wird nun nicht in jeder Jahreszeit noch einer draufgesetzt und wieder ein neuer Rekord aufgestellt werden. Insgesamt sind milde Winter jedoch klar auf dem Vormarsch. Dennoch wird Schnee und Eis nicht zu unbekannten Elementen, auch im Flachland darf man irgendwann wieder die weiße Pracht bestaunen. Es gilt zu beobachten, ob sich bestimmte Strukturen der Großwetterlagen und Verschiebungen von Systemen (Nordwärtsverlagerung der Frontalzone) weiter festigen.

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