Natur & Wetterphänomene Rückblicke und Analysen

Viel Frost im Frühling 2020

Anzahl der Frosttage im Frühling (seit 1967) an der Wetterstation Groß Lüsewitz südöstlich von Rostock
Der Frühling 2020 hat mit 32 das langjährige Mittel von 20,8 Frosttagen deutlich überschritten.

Seit Beginn des meteorologischen Frühlings, oder besser gesagt des Statistikfrühlings (März, April, Mai), hat es überdurchschnittlich häufig Frost gegeben. Zu dieser Erkenntnis gelangt man auch, wenn man das „alte“ Klimamittel der Periode 1961-1990 heranzieht.

Eine Gegenüberstellung der Anzahl der Frosttage im Winter 2019/20 und im Frühling 2020 (Stand: 16.05.) für ausgewählte Stationen aus M-V:

StationFrosttage WinterFrosttage Frühling
Tribsees1736
Barth / Flugplatz2036
Groß Lüsewitz1832
Steinhagen-Negast2028
Schwerin1114
Waren / Müritz1512
Warnemünde43

Die Tabelle lässt wie folgt interpretieren: Ländliche Stationen wie Tribsees, Groß Lüsewitz oder Barth, häufig in Senken oder Muldenlagen (typische Kältelöcher) gelegen, haben deutlich mehr Tage mit Minusgraden im Frühlingszeitraum seit 01.März registriert. An der Messstelle Tribsees sind mittlerweile sogar mehr als doppelt so viele Frosttage als im Winter aufgetreten. Dies allein stellt ein absolutes Ausnahmeereignis dar.

Übrigens liegt regional das Minimum der Lufttemperatur im aktuellen Mai 2020 tiefer als im Wintermonat Februar 2020.

Abb 1 Frosttage Februar 2020 vs Mai 2020 (bis 16.05.)

Zurück zum begonnenen Winter=>Frühling-Vergleich. Denn es gibt auch komplett gegensätzliche Fälle: In Waren an der Müritz liegt der Winter mit 15 Frosttagen vorne. Auch an vielen Küstenstationen, in der Auflistung beispielhaft Warnemünde, fällt der Frühling nicht als frostiger Geselle auf.

Wie passen diese Unterschiede zusammen?

Der nächtliche Frost in den letzten Wochen und Monaten war an starke Ausstrahlung während Hochdruckwetterlagen gekoppelt. Hierbei spielt der Faktor Wärmekapazität des Untergrundes eine große Rolle. Diese ist bei versiegelten/bebauten Flächen und über Ostsee/ Seen hoch, sodass kaum gefürchtete Spätfroste in Städten und an der Küste (zumindest bei auflandigem Wind) auftreten. Über Wiesen, Feldern etc. tritt in klaren und windschwachen Nächten nach dem Einströmen polarer trockener Kaltluft auch im Mai noch ziemlich rasch Luft- zumindest aber Bodenfrost auf. Dieser kann aber nicht advektiv in städtische Räume oder höhere Lagen (welche aus der bodennahen Kaltluftschicht herausragen) „getragen“ werden, denn Wind würde die Luftmassen durchmischen und die Auskühlung hemmen.

Deshalb sammeln vor allem Stationen in ländlichen Regionen im April und Mai bei entsprechender Wetterlage noch Frosttage, im Winter sind die Unterschiede meist geringer, denn z.B. kann dann auch in feuchter Luft bei kalter Luftmasse rasch Frost in den Nächten auftreten.

Grundsätzlich werden späte Frost- oder Schneefallereignisse in Zeiten der Klimaerwärmung nicht seltener. Wenn eingeflossene Arktisluft unter Hochdruckeinfluss zur Ruhe kommt, dann ist besonders nach längeren Trockenperioden (aktuell seit Mitte März) in der heutzutage saubereren und schadstoffärmeren Luft eine stärkere Auskühlung möglich als es früher innerhalb der SO2-haltigen Luft der Fall war.


Exkurs SO2

„Schwefeldioxid entsteht hauptsächlich bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe. Seit 1990 sind die Emissionen um über 90 Prozent gesunken, vor allem durch technische Maßnahmen sowie den Einsatz schwefelarmer Brennstoffe. Von 1990 bis 2017 ist ein Rückgang der Schwefeldioxid-Emissionen (SO2) von 5,5 auf nur 0,32 Millionen Tonnen (Mio. t) zu verzeichnen.“

Quelle: Umweltbundesamt / https://www.umweltbundesamt.de/daten/luft/luftschadstoff-emissionen-in-deutschland/schwefeldioxid-emissionen


Eine hohe Bodenfeuchte wirkt zudem stärkerer nächtlicher Auskühlung entgegen, sodass kurioserweise gerade in Wärme- bzw Hitzesommern örtliche Bodenfröste aufgetreten sind (z.B. im August 1995, Anfang September 2003 oder Anfang Juli 2018).

Auch die statistisch nachweisbare deutliche Abnahme von Nebeltagen und Erhöhung der mittleren Sichtweite zeigt, dass die Luft „besser“ geworden ist. Auch die Überlegung, dass die Winter wärmer geworden sind und die Häufigkeit nebelfreundlicher Tage mit günstigen Bedingungen abnimmt, kann hier getätigt werden.

Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass die Sichtweiten bei gleicher Wetterlage heutzutage wesentlich größer als früher sind (Vergleich z.B. mit 1960er-Jahren).

Abb 2 Entwicklung der mittleren Sichtweite in Berlin-Dahlem von 1955 bis 2019

„Die Sichtweite ist in Berlin von Werten knapp unter 10 km Ende der 1950er/Anfang der 1960er auf über 25 km angestiegen, in 2018+2019 waren es erstmals über 30 km im Jahresmittel.“
Quelle und Grafik: Jörg Wichmann / http://www.wzforum.de/forum2/read.php?2,3806351,3806932#msg-3806932

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