Das erste Sturmtief der Saison 2020/21 ist durchgezogen und zwar ziemlich früh, immerhin haben wir Ende August und damit läuft noch der meteorologische Sommer. Das Tief zog am 26.08. von der Nordsee kommend mit seinem Kern ostwärts über Schleswig-Holstein und dann vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern Richtung polnische Ostsee und schwächte sich auf diesem Weg langsam ab (Kerndruck stieg an, zunächst 990 hPa vor der SH-Westküste, schließlich rund 995 hPa vor Rügen). Dadurch war der Nordosten zunächst nicht von warnrelevanten Windgeschwindigkeiten betroffen, denn das Starkwindfeld schloss sich weiter südlich quer über die Landesmitte von Deutschland an.
In der Nacht zum 27. folgte jedoch von Westen ein „Anhängsel“ in Form eines markanten Bodentrogs, welcher eng begrenzt die Luftdruckgegensätze verstärkte und in den Frühstunden für Sturmböen der Stärke 9 aus NW entlang der Ostseeküste sorgte. Die landesweite Spitzenböe meldete Warnemünde mit 85 km/h.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit aus meteorologischem Blickwinkel, stand dagegen eher die Niederschlagstätigkeit. Die Luftmasse war labil geschichtet, sehr feucht und zusätzlich unterstützte, besonders ab den Abendstunden, das warme Meerwasser (etwa 18-20°C Oberflächentemperatur) die Bildung von kräftigen Schauern. Die Konvektion (Schauerniederschlag) ordnete sich linienförmig an, bevorzugt dort, wo eine leichte Windkonvergenz über der Mecklenburger Bucht auftrat. In solchen Zonen strömten West- und Nordwestwinde zusammen und förderten so die Hebungsvorgänge und Bildung von Schauerwolken.
Genau dies passierte am Abend und in den Nachtstunden nahezu stationär auf einer Linie Insel Fehmarn bis zur Küste der Hansestadt Rostock. Daher landeten die teils sehr heftigen Platzregengüsse immer wieder an denselben Küstenabschnitten an, nämlich vornehmlich zwischen Kühlungsborn über Warnemünde bis nach Graal-Müritz. Die Streifen mit Schauern wie an einer Perlenkette, sind in der Niederschlagssummenkarte und im Radarbild deutlich zu erkennen.
Quelle Bild 2: https://kachelmannwetter.com/de/regenradar/mecklenburg-vorpommern/20200826-2145z.html
Die DWD-Wetterstation Warnemünde registrierte 43,5 Liter pro Quadratmeter in 6 Stunden (20- 02 Uhr). Gemäß den Warnkriterien des Deutschen Wetterdienstes wäre somit sogar eine Unwetterwarnung der Stufe rot vor Starkregen (35-60 l/m² / 6 h) gerechtfertigt gewesen. 17,8 l/m² fielen innerhalb einer Stunde zwischen 22 und 23 Uhr am Abend des 26.August.

Historisch auswertbar ist besonders der 24-stündige Zeitraum der Mengen von 08-08 Uhr. So summierten sich in Warnemünde 56,3 l/m² Tagesniederschlag. Die Messreihe für diesen Parameter reicht lückenlos zurück bis ins Jahr 1946. Nur an sechs Tagen wurde bisher eine höhere Tagesausbeute im Rostocker Ostseebad festgehalten. Extrem herausragend war der Jahrhundertregen vom 22.07.2011, viele Einheimische werden sich an diesen berühmt-berüchtigten Sommer der Wasserschlachten vor 9 Jahren erinnern.
Höchste Tagessummen Niederschlag / DWD Warnemünde (seit Juli 1946, in l/m²)
111,4 22.07.2011
75,9 27.08.1946
61,6 29.06.1960
61,5 27.08.1960
60,5 27.08.1995
56,8 29.07.2011
56,3 26.08.2020
53,3 06.08.2011
Es bleibt festzuhalten, dass „KIRSTEN“ in MV windtechnisch eher zahm daherkam, jedoch etwas überraschend zumindest regional im Rostocker Raum ein Starkregenereignis produzierte.
Auswertungen der Stationsdaten von Warnemünde (1946-2019) ergaben, dass es sich um ein durchaus ungewöhnliches Ereignis handelt, welches je nach herangezogenem Zeitintervall nur alle 5 bis 35 Jahre einmal auftritt. Die folgende Tabelle zeigt die Einordnung der größten gemessenen Mengen am 26./27.08.2020 für den Stationsstandort in Warnemünde:
Dauer | Zeitspanne | Niederschlagssumme | Wiederkehrsintervall / Jährlichkeit |
10 min | 26. Aug 22:10-22:20 Uhr | 6,4 mm | T = 7 Jahre |
1 h | 26. Aug 22-23 Uhr | 17,8 mm | T = 6 Jahre |
2 h | 26. Aug 22-00 Uhr | 29,8 mm | T = 16 Jahre |
3 h | 26./27. Aug 22-01 Uhr | 38,7 mm | T ≈ 30 Jahre |
6 h | 26./27. Aug 20-02 Uhr | 43,5 mm | T ≈ 35 Jahre |
24 h | 26./27. Aug 08-08 Uhr | 56,3 mm | T = 13 Jahre |
Im Zeitraum von 6 Stunden war der Starkregen ein besonders seltenes Ereignis. Ähnlich beachtlich fällt die Analyse für den 3-stündigen Abschnitt aus, denn es war nicht ein einzelner extremer Guss, welcher die „Abnormität“ darstellte. Eher die Aufeinanderfolge mehrerer Schauer im Bereich Warnemünde, in teils sehr starker Intensität und über Stunden hinweg, zeichneten das Ereignis aus.
Eng begrenzt und doch nicht wirklich alltäglich. Danke!
Wie hast du die Wiederkehrsintervall / Jährlichkeit berechnet?
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Dafür habe ich eine standortbezogene Starkniederschlagstabelle mit den verschiedenen Niederschlagshöhen und jeweilige Jährlichkeit vom DWD verwendet. Die Berechnung habe ich also nicht selber vorgenommen, diese Tabellen müssen jedoch entgeltpflichtig beim DWD bestellt werden. Ich habe sie nur für Warnemünde vorliegen, bin mal über einen Kontakt günstig da dran gekommen 🙂
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