
Quelle: http://www.mtwetter.de/meteogramm/3196-1912-09.png?1569681053638
Vor 112 Jahren erlebte Deutschland und auch Mecklenburg-Vorpommern einen außerordentlich kühlen Septembermonat, den mit Abstand kältesten seit Wetteraufzeichnungen vorliegen. Die Mitteltemperaturen an den Wetterstationen lagen verbreitet 3 bis 4 Grad unter dem alten international gültigen Klimamittel der Periode 1961-1990 und es gab keinen einzigen (!!!) warmen Tag mit Tagesmaxima von mindestens 20,0°C. Der Landeshöchstwert betrug lediglich 18,3°C (Greifswald). In Rostock hat das Thermometer sogar den ganzen Monat nicht mehr als 16,5°C angezeigt. Das ist wirklich enorm kühl für September. Zum Vergleich: Im letztjährigen September 2023 hatten in der Hansestadt alle Tage eine Höchsttemperatur über 17°C.
Wie ist diese Kälte zustande gekommen?
In der ersten Monatshälfte bewegte sich ein Hochdruckgebiet vom Ostatlantik zu den Britischen Inseln, gleichzeitig befanden sich Tiefs über Skandinavien, womit uns in einer nördlichen Strömung polare Meeresluft erreichte. In der zweiten Monatshälfte etablierte sich dann – ganz ähnlich wie übrigens 2008- ein umfangreiches Hochdruckgebiet über dem Norden Europas. Die Folge war mit nordöstlicher Strömung ein frühzeitiger Einzug des Herbstes mit ersten Nachtfrösten. Die Ostsee wies nach einem ebenfalls deutlich unterdurchschnittlich temperierten August außerdem keine hohen Wassertemperaturen auf, sodass der Kälteeinbruch trotz des langen Weges der Luftmassen über das Meer nur wenig abgemildert werden konnte.
Vermutet wird neben diesen rein meteorologischen Ursachen, dass der kühle Sommer 1912 mit dem Höhepunkt eines sehr kühlen Septembers mit dem Ausbruch des Vulkans Novarupta bei Katmai (Alaska) am 6. Juni 1912 in Zusammenhang steht. Dies war einer der größten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts und setzte große Mengen Asche und Schwefeldioxid in die Atmosphäre frei. Diese Gase und Partikel stiegen in die Stratosphäre auf und reflektierten Sonnenlicht zurück in den Weltraum, was zu einer Abkühlung der Erdoberfläche führte.
Randnotiz: Der „Tiefpunkt“ war der 03.Oktober 1912. An diesem Tag registrierten die Wetterwarten Güstrow, Greifswald und Swinemünde sogar Schneeflocken im Niederschlag. Es ist bis heute der Rekord für den frühesten Schneefall in Mecklenburg-Vorpommern.
Monatsmittel Sept. 1912 MV-Stationen (Abw. zum Klimamittel 1961-90)
11,1°C Ostseebad Wustrow ( —)
11,0°C Kloster/Hiddensee (-2,9 K)
10,8°C Warnemünde (-3,1 K)
10,6°C Kirchdorf/Poel (-3,0 K)
10,5°C Greifswald (-2,9 K)
10,3°C Putbus/Rügen (-3,0 K)
10,0°C Rostock-Stadt (-3,3 K)
9,9°C Schwerin (-3,6 K)
9,9°C Waren (Müritz) (-3,5 K)
9,6°C Güstrow (-3,8 K)
9,5°C Marnitz (-3,8 K)
9,4°C Neustrelitz (-3,5 K)
9,3°C Dömitz/Elbe (-4,1 K)
Zum Vergleich: Die Mitteltemperaturen des aktuellen Septembermonats 2024 liegen je nach Station innerhalb von MV zwischen 16,8°C und 18,5°C (+3,5 bis +5,2 K ggü 1961-1990). Dies verdeutlicht, wie frisch es im 1912er September gewesen sein muss.
Beispiel Klimastation Kirchdorf auf Poel:
Hitliste kälteste Septembermonate (seit 1852)
10,6 °C 1912
11,1 °C 1894
11,2 °C 1902
11,3 °C 1986
11,6 °C 1889
Hinweis: Artikel aktualisiert im September 2024
Quelle Titelbild: Wetterzentrale.de -Reanalysis (ERA)

